Könnte Seetang helfen, die Versauerung der Ozeane zu vermindern?
An vielen Gewässern sind ätherische, schwankende Säulen aus braunem Seetang zu entdecken. Diese Algensäulen wachsen hoch und gipfeln in ein dichtes Überdach aus dicken Wedeln, die etlichen Meeresbewohnern Heimat und Zuflucht bieten. Es wird spekuliert, dass die Riesenalgen die Küstenökosysteme schützen könnten, indem die Versauerung verringert wird.
Warum versauern die Ozeane?
Die Versauerung der Ozeane wird durch die Aufnahme von zu viel atmosphärischem Kohlenstoff der Meere verursacht. Versauerung bedeutet letzten Endes, dass der pH-Wert des Meereswasser abnimmt.
Neben der globalen Erwärmung handelt es sich hierbei um die zweitgrößte Folge der menschlichen Emission von Kohlenstoffdioxid.
Während Kohlenstoffdioxid in der Erdatmosphäre physikalisch wirkt und zum Anstieg der Temperatur führt, wirkt es im basischen Meer chemisch. Das Meerwasser wird genau genommen nicht wirklich sauer, sondern weniger basisch.
Interdisziplinäre Analyse von Riesen-Tang vor der kalifornischen Küste
Eine interdisziplinäre Vor-Ort-Analyse soll das Potenzial des Seetangs zur Verringerung der Versauerung genauer untersuchen. Viele Fragen sind noch offen. Die ersten Ergebnisse des Teams wurden am 22.10.2020 in der Zeitschrift JGR Oceans veröffentlich und zeigen, dass der pH-Wert des Wassers in der Nähe der Meeresoberfläche etwas höher und weniger sauer war. Das deutet darauf hin, dass der Seetang-Baldachin den Säuregehalt verringert.
Diese Effekte erstrecken sich jedoch nicht bis auf den Meeresboden, wo empfindliche Seeigel, Schalentiere und Kaltwasserkorallen leben. Zudem sind am Meeresboden die meisten Versauerungen aufgetreten.
Lediglich begrenzte potenzielle Vorteile
Da die Verminderung der Versauerung nur an der Meeresoberfläche auftritt, handelt es sich um eine Begrenzung der potenziellen Vorteile. Warum wir überhaupt etwas gegen die Versauerung tun müssen, lässt sich leicht erklären.
Durch die Erhöhung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre und der anschließenden Absorption durch die Ozeane des Planeten entsteht ein chemisches Ungleichgewicht.
Dieses wirkt sich negativ auf die allgemeine Gesundheit der Meeresökosysteme aus. Betroffen sind demnach ebenfalls die Tiere, auf die wir Menschen als Nahrung angewiesen sind.
Warum Seetang?
Seetang wurde in Betracht gezogen, weil es rasant schnell wächst und vermehrt Photosynthese durchläuft. Durch Photosynthese wird Sauerstoff produziert und CO2 aus dem Wasser entfernt. Es ist dennoch unklar, woher genau der Nutzen kommt und wie dieser bewertet wird – sofern es überhaupt einen Nutzen gibt.
Der Grund: Die Bedingungen, die die Forscher in Kalifornien beobachten, gelten möglicherweise nicht für alle Seetang-Wälder. Durch neue hochauflösende vertikale Messungen von pH-Werten, gelöstem Sauerstoff, Salzgehalt und Temperaturen konnten die Forscher Muster in der Meerwasserchemie rund um den Seetang-Wald unterscheiden. Zum Beispiel war nachts, als sie erwarteten, mehr saures Wasser zu sehen, im Vergleich zu Tagmessungen tatsächlich weniger saures Wasser vorhanden.
Seetang zu verstehen kann zu naturbasierten Lösungen führen
Laut der Forscher ist es wirklich wichtig, genau zu verstehen, wie Seetang mechanistisch und quantitativ funktioniert, um langfristig an naturbasierten Lösungen zu arbeiten. Obwohl das Minderungspotenzial der Seetang-Wälder im Baldachin die empfindlichen Organismen auf dem Meeresboden nicht erreichte, fanden die Forscher im Seetang-Wald generell eine insgesamt weniger saure Umgebung als außerhalb.
Die Organismen, die im Baldachin leben oder in diesen eindringen könnten, profitieren demnach höchstwahrscheinlich von der lokalen Linderung der Versauerung durch Seetang.
Ein Modell für zukünftige Studien
Laut den Mitautoren dient die Forschung auch als Modell für zukünftige Untersuchungen des Ozeans als dreidimensionalen, flüssigen Lebensraum. Laut Rob Dunbar, W.M. Keck Professor an der Stanford Earth ist das derzeitige wissenschaftliche Stand zwar recht groß, aber eher disziplinarisch. Dass all diese Elemente zusammengebracht werden und ein komplexes Küstensystem untersucht wird, wäre eher selten.
Das Projekt der Forscher um den Seetang-Wald in Kalifornien war gewissermaßen ein Modell dafür, wie eine synthetische Studie durchgeführt werden kann, in der viele unterschiedliche Bereiche zusammengeführt werden.