Immer mehr Eltern agieren nach dem Sammelbild-Verhalten
Aktuellen Studienergebnissen zufolge sinkt der Anteil an Familien, in denen alle Kinder entweder Jungen oder Mädchen sind. Zu diesem Thema publizierten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Current Biology“ ein Untersuchungsergebnis. Aus dieser Studie geht hervor, dass immer mehr Eltern so lange Nachwuchs bekommen, bis sie Kinder beider Geschlechter bekommen haben.
Das Sammelbild-Verhalten ist ein relativ neues Phänomen
Dieses Phänomen bezeichnen die Wissenschaftler als sogenanntes Sammelbild-Verhalten der menschlichen Fortpflanzung. Diese Verhaltensweise erhöhte sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stetig. Das Verhalten führt dazu, dass sich Differenzen im Geschlechterverhältnis in Familien zunehmend ausgleichen. Für die Studie (engl.) analysierten die beiden Biologen Erping Long sowie Jianzhi Zhang von der US-amerikanischen University of Michigan Daten, die bei der britischen UK Biobank gespeichert waren. Diese Datenbank inkludiert familiäre, gesundheitliche und genetische Informationen mehrerer hunderttausender freiwilliger Probanden aus ganz Großbritannien.
Diese Analyse führte zu dem Ergebnis, dass wesentlich mehr Familien als gedacht Kinder vom gleichen Geschlecht haben.
Besonders kennzeichnend waren in den Datenreihen jedoch Kinder, die als letztes in einer Familie geboren wurden. Diese Analyse ergab, dass Eltern zumeist dann keine weiteren Kinder mehr bekommen, wenn sie bereits Töchter und Söhne haben.
Der Wunsch, Kinder beiden Geschlechts zu haben
Als Erklärung für diese Tendenz verwiesen die beiden Biologen auf das sogenannte Sammelbild-Verhalten. Diese Verhaltensweise trifft ihrer Analyse zufolge auf ungefähr 3,3 Prozent aller Familien zu. Zugleich gingen Long und Zhang allerdings auch davon aus, dass diese Schätzung zu niedrig angesetzt ist. Ihrer Meinung nach beeinflussen mehrere Gründe die Frage, wie viele Kinder sich eine Familie wünscht.
Deshalb steht nicht nur das Interesse im Fokus, Kinder beiden Geschlechts zu haben. Mögliche weitere Gründe beziehen sich auf finanzielle und physiologische Umstände bzw. etwaige Hürden bei der Kinderbetreuung.
Vorlagen für die Sammelbild-Theorie
Für die Beschreibung des Phänomens erwähnten die Wissenschaftler die altbewährte Wahrscheinlichkeitstheorie. Diesem Ansatz zufolge bezieht sich die „Problematik der vollständigen Serie“ oder das „Sammelbilderproblem“ auf die Frage, wie viele Päckchen an Sammelbildern für eine Komplettierung eines Sammelalbums erworben werden müssen. Dieses Bestreben beziehen die Biologen auf das Fortpflanzungsverhalten von Eltern und den damit verbundenen Wunsch, Töchter und Söhne zu haben.
Dieses Bestreben ist nach Ansicht der Wissenschaftler allerdings verhältnismäßig neu.
Ihrer Ansicht wurde das Sammelbild-Verhalten erst dann beliebt, seitdem bekannt ist, dass Töchter und Söhne für Familien gleichermaßen von Nutzen sein können. Dieser Standpunkt setzt wiederum eine gesellschaftsweite Verbesserung der Gerechtigkeit unter beiden Geschlechtern sowie eine Akzeptanz der Geschlechterdiversität voraus. Diese Mitteilung publizierte der Biologe Zhang als Ergänzung zu der Studie.
Datenvergleiche mit niederländischen Familien
Um ihre Annahme zu überprüfen, verglichen die Biologen ihre Resultate mit Daten, die einer Stammbaum-basierten genealogischen Datenbank angehörten. Diese Datenbank schließt Informationen von rund 241.000 niederländischen Familien aus mehreren Jahrhunderten ein. Diese Informationen berücksichtigen unter anderem die Anzahl sowie das Geschlecht der Kinder.
Diese Datenanalyse ergab, dass vor 1940 wesentlich größere Unterschiede beim Geschlechterverhältnis der Familien bestanden. Dementsprechend existierten bis zu diesem Zeitraum wesentlich mehr Familien, die nur Töchter oder Söhne hatten. Anschließend sanken diese Differenzen stetig.
Wann entscheiden sich Familien für ein drittes Kind?
Diese Überprüfung dieser Daten aus der Niederlande bestätigte somit die durch die UK Biobank gewonnenen Erkenntnisse. Demzufolge gehen Wissenschaftler davon aus, dass das sogenannte Sammelbild-Fortpflanzungsverhalten noch ein relativ junges Phänomen ist. Zugleich betonten die Biologen, dass diese Hypothese Umfrageergebnissen von Interviews mit mehreren europäischen Familien entspricht.
Demzufolge äußerten sich viele Mütter und Väter mit dem direkten Wunsch, Töchter und Söhne bekommen zu wollen. Ergänzend bestätigten Beobachtungen aus Finnland, Schweden und Dänemark, dass Mütter übermäßig häufig ein drittes Kind bekommen, wenn die ersten beiden Kinder gleichen Geschlechts sind.