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Jeder achte Deutsche von vielen Überstunden betroffen

Jeder achte Deutsche von vielen Überstunden betroffen
Jeder achte Deutsche von vielen Überstunden betroffen | Foto: © Elnur #146792617 – stock.adobe.com

Mehrarbeit gehört zum Berufsalltag vieler Deutscher dazu. Einer aktuellen Analyse zufolge leisten rund zwölf Prozent aller Deutschen regelmäßig Überstunden ab. Jeder fünfte Angestellte leistet die Überstunden sogar unbezahlt. Dieses Niveau stufen Gewerkschaften als „unverantwortlich hoch“ ein.

Überstunden: Mehr Männer als Frauen

Mehr als jeder achte Arbeitnehmer aus Deutschland absolvierte im Jahr 2021 Überstunden.

Das bedeutet, dass durchschnittlich rund 4,5 Millionen Menschen mehr Arbeit leisteten, als es in ihrem Arbeitsvertrag vorgesehen war.

Diese Informationen vermittelte das Statistische Bundesamt. Der Auswertung zufolge nehmen Männer einen Anteil von 14 Prozent und Frauen einen Anteil von zehn Prozent ein.

Mehr Männer machen Überstunden
Mehr als jeder achte Arbeitnehmer aus Deutschland absolvierte im Jahr 2021 Überstunden | Foto: © Wellnhofer Designs #180842529 – stock.adobe.com

Bezahlte Überstunden: Nicht selbstverständlich

Unter allen Personen, die im Jahr 2021 Mehrarbeit leisteten, erhielten 22 Prozent aller Betroffenen die Überstunden nicht bezahlt. Knapp 18 Prozent aller Berufstätigen wurden hingegen dafür bezahlt. Ganze 72 Prozent aller Angestellten führen ein Arbeitszeitkonto.
Zudem, so betonten die Statistiker, ist die Mehrarbeit für die meisten Beschäftigten auf wenige Stunden je Woche begrenzt. Allerdings betonten 29 Prozent aller Betroffenen auch, dass sie wöchentlich mindestens 15 Stunden an Mehrarbeit leisten.

Bezahlte Überstunden sind nicht selbstverständlich
Bezahlte Überstunden sind nicht selbstverständlich | Foto: © stokkete #183958290 – stock.adobe.com

Beunruhigende Zahlen

In den Augen von Bettina Kohlrausch – der wissenschaftlichen Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung – sind die Zahlen beunruhigend. Schließlich verdeutlichen diese Zahlen, dass etwaige Debatten über die Erhöhung der Wochenarbeitsstunden mehr als unnötig sind.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, fordert die Expertin deshalb attraktive Arbeitsbedingungen ein.

Ihrer Meinung nach sind Arbeitszeit-Arrangements ein idealer Weg, um Angestellten mehr Spielräume zur Organisation der Arbeit und ihrem privaten Alltag einzuräumen.

Vorschlag: Erhöhung der Wochenarbeitszeit

In jüngster Vergangenheit schlug Siegfried Russwurm – Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie – längere Wochenarbeitszeiten im Kampf gegen den Fachkräftemangel vor.
Er persönlich spreche sich deutlich für für eine optionale Erhöhung der Wochenarbeitszeit aus, selbstverständlich bei vollem Lohnausgleich. In seinen Augen ist eine 42-Stunden-Woche einfacher realisierbar als eine generelle Einführung der Rente mit 70. Zustimmung erhielt Russwurm durch Michael Hüther, den Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft.

Erhöhung der Wochenarbeitszeit
Vorschlag: Erhöhung der Wochenarbeitszeit | Foto: © deagreez #343828330 – stock.adobe.com

Viele Überstunden im Finanz- und Versicherungswesen

Besonders hoch war der Anteil an von Mehrarbeit Betroffenen im Finanz- und Versicherungswesen. Laut der Analyse der Wiesbadener Statistiker belief sich der Anteil an Mehrabeit leistenden Personen in diesem Sektor auf 19 Prozent. Daran knüpft der Bereich der Energieversorgung mit 18 Prozent an.

Besonders niedrig ist der Anteil mit sechs Prozent im Gastronomiebereich sowie mit acht Prozent im Kunst- und Unterhaltungssektor.

Diese Auswertungen sind jedoch eine Folge der Corona-Beschränkungen.

Lohndiebstahl

Nach Meinung von Anja Piel – einem Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB – herrscht hierzulande ein unverantwortlich hohes Niveau an Überstunden vor. Sie bezeichne die Zustände als „Lohndiebstahl auf den Knochen von Beschäftigten“.
Die Expertin resümiert, dass Arbeitgeber mit dieser Strategie alljährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag zugunsten der eigenen Finanzen erwirtschaften. Beschäftigte müssten allerdings nicht nur finanzielle, sondern auch gesundheitliche Einschränkungen in Kauf nehmen. Aus dem Grund müsste sich laut Piel die Bundesregierung dazu verpflichtet fühlen, effektive Gegenstrategien festzulegen.