Rechte von Unternehmen: Was tun bei höherer Gewalt?
Haben Unternehmen das Recht, bei höherer Gewalt ihre Produktion zu stoppen? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort.
Nach Aussagen von Experten sind genaue Umstände sowie vertragliche Vereinbarungen ausschlaggebend.
Katastrophen schränken die Produktivität ein
Zahlreiche Produzenten können ihrer Arbeit nicht gesichert nachgehen, wenn das eigene Land durch Katastrophen wie einen Krieg betroffen ist.
Im Gegenzug müssen Subunternehmer, Zwischenhändler und Lieferanten dennoch ihrer vertraglichen Verpflichtung nachkommen.
Wer diese Verpflichtungen verletzt, muss mit einer Zahlung von Schadenersatz rechnen. Andere Bedingungen liegen jedoch vor, wenn die Verträge eine Klausel zu höherer Gewalt einschließen. In diesem Fall sollten die Firmen genau analysieren, inwiefern sie sich auf diese Klausel berufen können.
Was bedeutet „höhere Gewalt“?
Von höherer Gewalt ist bei Ereignissen die Rede, die Parteien nicht beeinflussen können. Eine Grundvoraussetzung ist, dass die Parteien während des Vertragsabschlusses nichts von dem Ereignis wussten. Da die gesetzliche Lage jedoch von Land zu Land variiert, einigen sich die Vertragspartner zumeist zuerst über die Frage, auf welchem nationalen Recht die Kooperation basiert.
Die Bezeichnung „höhere Gewalt“ wird zwar im Bürgerlichen Gesetzbuch erwähnt, ist jedoch nicht eindeutig rechtlich definiert. Mögliche Beispiele für höhere Gewalt basieren auf der Rechtsprechung und variieren von Krieg sowie Terroranschlägen über Naturkatastrophen bis hin zu Handelsembargos oder Reaktorunfällen. Im internationalen Recht ist das Szenario beispielsweise als „Act of God“ oder „Force Majeure“ bekannt.
Mehrere Prüfschritte
Laut Kaufrecht der Vereinten Nationen und deutschem Recht sind zwei Prüfschritte erforderlich. Zuerst geht es darum, zu hinterfragen, inwiefern überhaupt höhere Gewalt vorliegt. Zweitens stellt sich die Frage, ob dieser Zustand tatsächlich dazu führt, dass die Unternehmen ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht einhalten können.
Können Unternehmen beide Fragen bejahen, können sie ihre Arbeit ruhen lassen und müssen keine Schadenersatzzahlungen leisten – allerdings auch nur für den Zeitraum, in dem die entsprechende Situation besteht.
Ganz gleich, wie dramatisch eine Notlage ist: In jedem Fall müssen Inhaber eines Unternehmens überprüfen, inwiefern die unternehmerische Produktion tatsächlich eingeschränkt ist. Ist die Produktion behindert, bedarf es einer schnellstmöglichen Information gegenüber Vertragspartnern.
Gehen Unternehmen dieser Verpflichtung nicht nach oder wäre eine Zusammenarbeit mit alternativen Lieferanten möglich, könnte ebenfalls Schadenersatz fällig werden.
Regelungen zum aktuellen Ukraine-Krieg
Dauert der Zustand länger an, sind die Geschäftspartner berechtigt, von der vertraglichen Vereinbarung zurückzutreten. Die meisten Verträge inkludieren eine Mindestdauer von sechs Monaten. Für den aktuellen Ukraine-Krieg gilt die Regel, dass der Krieg erst wenige Wochen andauert und aktuelle Verträge derzeit nur ruhen. Wichtige Ansprechpartner für derartige Probleme sind hierzulande örtliche Industrie- und Handelskammern. Diese Vereinigungen attestieren ihren Mitgliedern, dass die Unternehmen aus bestimmten Gründen ihren vertraglichen Pflichten nur partiell oder überhaupt nicht nachkommen können.
Derartige Schriftstücke stellte die IHK bereits in Zeiten der Coronakrise aus. Im Fall des Ukraine-Kriegs könnten gestörte bzw. unterbrochene Lieferketten, Reisebeschränkungen oder militärische Handlungen im Land als Auslöser dienen.
Die Bescheinigungen beziehen sich allerdings ausschließlich auf Tatsachen und keine damit verbundenen rechtlichen Folgen. Ob die Firmen ihre Produktion tatsächlich aussetzen, bedarf im Einzelfall sogar einer juristischen Prüfung.
Schiedsverfahren im Konfliktfall
Falls der Ukraine-Krieg zeitnah enden sollte, ist der Aspekt der höheren Gewalt übrigens noch immer gegeben. Schließlich verursachen die militärischen Auseinandersetzungen wirtschaftliche Schäden, die beispielsweise auf unzureichenden Flugverkehr oder kaputte Straßen zurückzuführen sind. Aus dem Grund bedarf es einer stetigen konsequenten Einschätzung der aktuellen Lage.
Schließt der Vertrag keine „Höhere Gewalt“-Regel ein, tritt der sogenannte Grundsatz von Treu und Glauben in Kraft.
Dementsprechend kann niemand für ein Szenario verantwortlich gemacht werden, auf das die Vertragspartei keinen Einfluss hat. Laut deutschem Zivilrecht dürfen sich Vertragsparteien auf das BGB berufen. Das Bürgerliche Gesetzbuch legt fest, dass Parteien gemäß § 275 BGB keine Leistungen erbringen müssen, falls es ihnen aufgrund höherer Gewalt unmöglich ist. Im Zweifelsfall werden Schiedsverfahren durchgeführt, um die Konflikte zu lösen. Erfahrungsgemäß erweisen sich die Vertragsparteien dann als konfliktbereit.