Klimaneutrale Schiffe: Utopie oder Realität?
Für gewöhnlich publiziert der Naturschutzbund Deutschland einmal pro Jahr im September ein Kreuzfahrtranking. Dieses Ranking nutzt der Nabu dafür, um einzelne Kreuzfahrtgesellschaften detailliert zu bewerten. Die Vereinigung ging in dem Ranking beispielsweise auf Faktoren wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit ein, die in den Augen des Nabu eher wenig zufrieden stellten. Doch im Jahr 2021 verzichtete der Naturschutzbund auf diese Einstufung.
Diskussion anstatt Bewertung
In dieser Zeit lud der Nabu die größten Reedereien – darunter TUI Cruises, MSC und Aida – zu einer Podiumsdiskussion ein. Im Fokus standen Diskussionen um die Zukunft der Kreuzfahrtbranche im Zuge der Pandemie und Klimakrise. Diese Entscheidung traf der Naturschutzbund ganz bewusst, da die Branche enorm unter den Folgen der Corona-Pandemie litt.
Stattdessen veröffentlichte der Nabu einen Zeitplan, um bis zum Jahr 2050 auch in der Kreuzfahrtbranche Klimaneutralität zu erreichen.
Erste Ziele sind bis 2023 klar definiert: Ein Stopp von Schwerölnutzung sowie ein Einbau von Rußpartikelfiltern sowie Stickoxidkatalysatoren.
Das Ziel: Klimaneutralität bis zum Jahr 2050
Mit dieser Zielsetzung erklärten sich die Reedereien einverstanden. Uneinigkeit herrscht hingegen über den Zeitplan. Dennoch schlossen sich Vertreter der Reederei MSC dem Standpunkt an, dass die Kreuzfahrtbranche bis 2050 agieren müsse. Aus dem Grund befürworten die europäischen Anbieter auch das Pariser Klimaschutzabkommen, demzufolge die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt und die komplette EU bis 2050 klimaneutral sein möchte.
Nun bleibt abzuwarten, wie ernst die Reedereien das Thema tatsächlich nehmen. Dennoch beweist die Diskussion, dass Kreuzfahrtanbieter das Thema ernst nehmen. Allerdings wäre es nicht das erste Mal – beispielsweise in Bezug auf die Nutzung von Schweröl – dass die Kreuzfahrtindustrie nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse macht.
Aida macht den Anfang
Doch es gibt schon erste Schritte in die richtige Richtung. Hierzulande ließ Marktführer Aida schon erkennen, wie der Weg zur Klimaneutralität gelingen könnte. Die zum international größten Kreuzfahrtkonzern Carnival gehörige Reederei stellte bereits LNG-Schiffe vor, deren Antrieb durch Flüssiggas erfolgt. Seitdem das erste LNG-Schiff Aida Nova im Dezember 2018 erstmals in See stach, eroberten immer mehr LNG-Schiffe den Markt. Ein weiteres Beispiel ist die Aida Cosma.
Allerdings spekulieren Experten schon jetzt, dass LNG-Schiffe vermutlich eher eine Überbrückungsvariante sind.
Die Gasverbrennung erfolgt zwar schadstofffrei. Dennoch schöpfen die Schiffe ihre Kraft aus einem fossilen Brennstoff mit CO2-Emissionen. Zukünftig ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Kreuzfahrtschiffe ihre Kraft aus synthetischem Flüssiggas schöpfen – das allerdings durch erneuerbare Energien produziert werden müsste.
Der Plan vom Null-Emissionsschiff
Aktuell ist davon die Rede, dass die Reederei Aida im Jahr 2030 ihr erstes Null-Emissionsschiff auf Kurs bringt. Innerhalb der Branche ist ein Wettkampf entfacht. Schließlich gab auch TUI Cruises bekannt, ab dem gleichen Jahr klimaneutrales Reisen zu offerieren. Für den Anfang ist eine Umrüstung der Bestandsflotte geplant. Motoren müssen auf neue Antriebsstoffe umgestellt werden.
Ebenso wichtig ist es, die Energieeffizienz auf vorhandenen Schiffen zu verbessern und den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass bereits heute 20 Prozent an Energie eingespart werden. Dieser Effekt wird unter anderem durch ein Umfahren von Stürmen, Streckenoptimierungen und langsameres Fahren verursacht. Zusätzlich konzipiert MSC aktuell ein Hochseeschiff mit Wasserstoffantrieb. Allerdings steht derzeit noch in den Sternen, ob der neue Kreuzfahrtgigant bis zum Jahr 2030 tatsächlich einsatzbereit ist.
Viele Fragen sind nach Aussagen der MSC noch nicht geklärt – unter anderem hinsichtlich zukünftig eingeführter technischer Standards oder dem Zugriff auf alternative Brennstoffe.
Ein Novum auf der Aida Nova
Derzeit ist bei der Aida von Batterien die Rede, die – abhängig von der Fahrsituation – Energie liefern oder abspeichern. Ein gutes Beispiel ist die Aida Nova mit einer riesigen Brennstoffzelle mit einem Leistungsvermögen von 200 Kilowatt.
Ungewissheit besteht zwar zu der Frage, wie ein Zugriff auf ausreichende Mengen an alternative grüne Brennstoffe oder synthetische Erzeugnisse erfolgen soll.
Dazu gehören unter anderem Wasserstoff, Methanol oder Ammoniak. In diesem Zugriff sehen Experten übrigens auch den Knackpunkt in der angestrebten Energiewende für die Kreuzfahrtbranche. Demzufolge ist Strom für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe aus Ländern erforderlich, die ein hohes Potenzial für Wind- und Solarstrom bieten. Hierfür bedarf es zuerst vorhandenen Kapazitäten und Stromleitungen, welche verlegt werden müssen.
Schritt für Schritt zum Ziel
Bis zum Erreichen der Klimaneutralität in der Kreuzfahrtbranche bedarf es noch vieler Schritte. Doch auch die ersten deutschen Häfen stellen sich schon auf erste Veränderungen ein. Während in Rostock-Warnemünde seit geraumer Zeit Landstrom zur Verfügung steht, rücken klimafreundliche Anlagen in Kiel sowie Bremerhaven ebenfalls in nahe Zukunft. Zudem ist in Hamburg ab 2023 an allen Kreuzfahrtterminals eine Landstromanlage zugänglich.
Die Chancen auf einen ersten Schritt in die richtige Richtung sind gut. Schließlich sind zahlreiche seit 2007 errichtete Schiffe schon jetzt landstromfähig.