Brexit: zweite Niederlage für May im Parlament – und nun?
Vor wenigen Tagen startete die britische Premierministerin Theresa May den zweiten Versuch, den von der Politikerin zusammen mit der Europäischen Union vereinbarten Brexit-Vertrag vom Parlament absegnen zu lassen. Doch auch der zweite Versuch scheiterte. In der zweiten Runde fehlten der Politikerin insgesamt 149 Stimmen.
Diese Entscheidung hat zur Folge, dass ein Austritt von Großbritannien für den geplanten 29. März so gut wie ausgeschlossen ist. Wir stellen die wahrscheinlichsten Szenarien vor, wie sich diese Situation nun entwickeln könnte.
Erste Möglichkeit: Vorentscheidung für einen No-Deal-Brexit
Für den 13. März 2019 wurde die nächste Abstimmung im Unterhaus anberaumt. Während dieses Termins mussten die Abgeordneten entscheiden, ob Großbritannien die Europäische Union ohne weitere Vereinbarungen verlassen sollte. Dieser Termin wäre die letzte Option für das Parlament, um sich auf den sogenannten No-Deal-Brexit zu einigen. Würden sich Abgeordnete auf diese Vereinbarung einlassen, müsste innerhalb weniger Tage automatisch eine erneute Vereinbarung mit der EU getroffen werden.
Auch dieses Vorhaben dürfte alle Beteiligten vor eine besonders große Herausforderung stellen. Schließlich erhielt May bislang auch für mehrfach mit der EU überarbeitete Abkommen keine Parlamentsmehrheit.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen ungeregelten Brexit?
Theresa May spricht sich zwar gegen einen ungeregelten Brexit aus. Allerdings möchte sich May diese Option auch nicht komplett nehmen lassen. Bislang möchte sich May die Option offenhalten, diese Version als Druckmittel gegen Brüssel zu verwenden. Bislang möchten zwar die meisten Abgeordneten keinen ungeordneten Brexit.
Im Gegenzug besteht aber auch keine Mehrheit dafür, dass diese Variante komplett ausgeschlossen werden kann. Erfolgt nun eine weitere „No Deal“-Abstimmung, wäre dies ein erneuter Rückschlag für May. Schon jetzt kündigten einige der Minister Mays über die „Daily Mail“ an, dass Sie dennoch gegen den „No Deal“-Brexit abstimmen werden.
Zweite Möglichkeit: Verschiebung des Austrittsdatums
Falls der „No Deal“-Brexit keine Mehrheit bekommt, ist für den 14. März 2019 eine dritte Abstimmung geplant. Zu diesem Termin könnte eine Verschiebung des Austrittsdatums diskutiert werden. Diesbezüglich betonte Theresa May in jüngster Vergangenheit zwei Standpunkte. Erstens gab die Politikerin deutlich zu verstehen, dass sie eigentlich keinerlei Verschiebung des Termins wünscht. Lässt sich diese Verschiebung dennoch nicht vermeiden, ist eine Verschiebung nur für eine sehr kurze Zeit geplant.
Eine Verschiebung auf den Zeitraum nach Ende Juni würde dazu führen, dass sich Großbritannien an der für Mai 2019 anberaumten EU-Wahl beteiligen muss – ein Fiasko für die britische Premierministerin.
Erscheint eine Verschiebung realistisch?
Dennoch stehen die Chancen auf eine Verschiebung gut – schon allein aus dem Grund, weil es den Briten mittlerweile an Zeit oder anderen Optionen mangelt. Zudem forderten Abgeordnete immer wieder eine Verschiebung des Ausstiegs ein. Spricht sich das Parlament am 14. März 2019 erneut gegen den Brexit aus, würde den Abgeordneten das Klischee anhaften, keine Verantwortung für ihr Land zu übernehmen. Ergänzend sei erwähnt, dass die letzte Brexit-Abstimmung des Unterhauses mit einer markanten Unterhaus-Mehrheit für einen Großteil von Theresa Mays Vorschlägen endete. Diesen Vorschlägen gehörte auch die Verschiebe-Option an.
Dritte Möglichkeit: es wird gar keinen Brexit geben
Es ist erst wenige Tage her, als die Premierministerin vor britischen Arbeitern weitere Zugeständnisse der EU einforderte. Dabei erwähnte die Politikerin gegenüber dem Unterhaus, dass Großbritannien die EU vielleicht nie verlassen werde, falls Abgeordnete den zusammen ausgehandelten Austrittsvertrag ablehnen.
Dieser Fall ist mittlerweile eingetreten. Dennoch ist davon auszugehen, dass es May nicht darauf beruhen lassen wird. Allerdings ist derzeit völlig unvorstellbar, dass Theresa May tatsächlich von einem Brexit absieht. Die Zukunft wird zeigen, ob sich das Blatt auch in diese Richtung wenden könnte.
Vierte Möglichkeit: Zweites Referendum
Eine weitere Option wäre im Sinne der Labour-Partei, die sich ein zweites Referendum wünscht. Dieses Referendum könnte unter Umständen sogar zu einem Exit vom Brexit führen. Allerdings sprechen sich May und ein Großteil ihrer Parteimitglieder explizit gegen ein weiteres Referendum aus. Befürworter sind jedoch der Meinung, dass sich die Briten aus heutiger Sicht anders als beim ersten Referendum entscheiden würden.
Im Gegenzug werden kritische Stimmen laut, denen zufolge es als undemokratisch gilt, die Abstimmungen bis zum Erhalt eines angenehmen Ergebnisses voranzutreiben. Zudem würde Großbritannien gegenüber anderen EU-Partnern massiv an Glaubwürdigkeit verlieren.
Stehen die Chancen für ein zweites Referendum gut?
Allerdings kann ein zweites Referendum so lange nicht ausgeschlossen werden, wie Theresa May als Premierministerin agiert. Obwohl die Politikerin in ihrer Partei deutlich an Rückhalt eingebüßt hat, hält sich die Ministerin schon erstaunlich lange an der Macht-Spitze. Doch auch bei einem Sturz Mays wäre nicht geklärt, ob im Unterhaus eine Mehrheit für ein zweites Referendum erteilt werden würde. Erschwerend kommt hinzu, dass Labour-Vorsitzender Jeremy Corbin bekanntermaßen kein großer Anhänger der EU ist.
Fünfte Möglichkeit: Fehlende Einigung, doch Fristen laufen weiter
Verwehren sich die Abgeordneten auch zukünftig gegen den Brexit-Verlauf und stimmen die Politiker gegen jede Einzelvariante, würde dieses Szenario für den Brexit einen weiteren Tiefpunkt bedeuten. In diesem Fall würde sich die Regierung in der Situation nach der ersten großen Parlamentsniederlage von Theresa May wiederfinden. Die Folgen würden die Regierung nicht sonderlich erfreuen. Einerseits bestünden noch weniger Handlungsoptionen. Andererseits würde noch einmal Zeit bis zum Brexit-Datum verstreichen.
Derzeit scheint es, als würde die Premierministerin die Abgeordneten bewusst unter Druck setzen. Schließlich erfolgen die entscheidenden Abstimmungen nur rund eineinhalb Wochen vor dem Ausstiegsdatum. Hinter dieser Maßnahme könnte Kalkül stecken. Denn je lauter die Brexit-Uhr tickt, desto eher könnte das Unterhaus zu einer konstruktiven Abstimmung gezwungen werden.
Allerdings hat sich Theresa May in den vergangenen Monaten schon mehrfach in ihren Abgeordneten getäuscht. Deshalb erscheint diese Option am destruktivsten.