Sprache im Wandel der Zeit – Kunden werden häufiger geduzt
Ikea führte den Trend ein. Schnell schlossen sich Apple und Adidas an. Mittlerweile gehört auch Aldi dazu. Immer mehr Unternehmen duzen ihre Kunden und Kundinnen.
Das Siezen ist auf dem Rückzug und stellt immer mehr Menschen in der Gesellschaft vor die Frage, wie sie ihr Gegenüber nun ansprechen sollen.
Sprachwandel innerhalb einer Generation
Das Problem ist schnell erklärt. Verfehlt ein Unternehmen den Ton, erhöht sich das Risiko, potentielle Kundschaft zu vergraulen. Während das „Sie“ immer reduzierter verwendet wird, verstärkt sich der Einsatz des „Du“.
Nach Aussagen von Sprachwissenschaftlerin Stefanie Stricker befinden wir uns in einem Sprachwandel, der innerhalb einer Generation zu Änderungen führt.
Die Möbelhauskette Ikea als Trendsetter
Einige Jahre nach der Jahrtausendwende führte die schwedische Möbelhauskette Ikea das Duzen ein. Diese Verhaltensweise ist die Folge einer schwedischen Tradition, deren Ziel es ist, ein Stück des schwedischen Lebensgefühls in die Welt hinauszutragen.
Demgegenüber herrscht hierzulande eher eine Sie-Kultur. Bei der Kommunikation unter Erwachsenen dauert es häufig sehr lange, bis sich zwei Personen das „Du“ anbieten. Zudem spielt die Wahl einer geeigneten Kundenansprache für viele Unternehmen eine immer wichtigere Rolle.
Das Duzen als Teil der Corporate Identity
Während Apple seine Klientel seit 2009 duzt, schloss sich Aldi schon ein Jahr später dem Konzept an. Die Ansprache mit „Du“ ist auch bei Adidas üblich, da diese Marke vor allem eine junge Zielgruppe anspricht und das Duzen im Sport generell üblich ist.
Unternehmen wie Ikea betonen, dass der Einsatz des „Du“ganz bewusst ein wichtiger Teil der Corporate Identity ist.
Agieren Unternehmen im Mode-, Tech- und Sportbereich überwiegend mit junger Kundschaft, neigen Start-Ups tendenziell zum Duzen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Vertreter aller Firmen ihren Kunden einfach das „du“ anbieten sollten. Setzt ein Vermieter oder eine Wohnungsgesellschaft ihre Mieter und Mieterinnen per „du“ über die nächste Mieterhöhung in Kenntnis, könnten diese Ansprache sogar als herablassend empfunden werden.
Aus dem Grund sind Unternehmen vor allem Business-to-Business-Bereich gut beraten, die Ansprache einfach dem persönlichen Gespräch mit der Kundschaft anzupassen. Im Gegenzug ist es wichtig, in einem Gespräch flexibel zu reagieren, falls Ansprechpartner ihr Gegenüber spontan duzen.
Abnehmende Bedeutung des Siezens
Dennoch leiten all diese Unternehmen keinen neuen Trend ein, der völlig überraschend kommt. Der Blick in Geschichtsbücher beweist, dass das Siezen bereist seit rund 100 Jahren an Bedeutung verliert. Die Ansprache mit „Sie“ geht auf den mittelalterlichen Feudalismus zurück, ebenso wie eine Ansprache mit „Herr“ und „Frau“.
Noch deutlicher wird die Erkenntnis bei der Analyse der französischen Ansprache „Monsieur“, die in deutsch soviel wie „mein Herr“ bedeutet. Diese Ansprache sollte die ursprüngliche hierarchische Beziehung Untergebener zu ihren Herren verdeutlichen.
Für den mittelalterlichen Adel war ebenfalls eine bestimmte Etikette üblich, die mit einem sehr freundlichen Umgangston einherging. Dieses Milieu war ideal dafür geeignet, um Höflichkeitsformen zu konzipieren. Über die nächsten Jahrhunderte hinweg kommunizierten Vertreter des Bürgertums ebenfalls mit der adeligen Umgangsform.
In Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg war es sogar üblich, dass sich das Siezen im Familienleben etablierte. In gutbürgerlichen Familien sowie bei materiell besser situierten Bauernfamilien war es deshalb gang und gäbe, dass Kinder ihre Eltern mit „Sie“ ansprachen.
Regionale Unterschiede
Dennoch sind bei der Entwicklung der Sprache bis heute regionale Unterschiede üblich. In ländlichen bayerischen Regionen oder rund um Tirol setzte sich das „Sie“ beispielsweise niemals richtig durch.
Im Gegensatz dazu sind Urlauber aus nördlichen Gefilden zum Teil noch immer überrascht, wenn sie von Fremden einfach mit „du“ angesprochen werden.
In weiten Teilen sind ebenfalls Mischformen üblich, die beispielsweise eine Anrede mit „Sie“ und die Verwendung des Vornamens einschließen. Gleiches gilt für das sogenannte „Münchner du“, bei dem sich Personen mit dem Familiennamen und gleichzeitigem Duzen ansprechen.
Das Siezen wird nicht aussterben
Obwohl sich immer mehr Unternehmen dem Trend zum Duzen anschließen, wird das Siezen tendenziell dennoch nicht aus unserem Alltag verschwinden.
Die Nutzung des „Sie“ ist zwar aktuell deutlich auf dem Rückzug. Allerdings ist diese Tendenz auch nur in bestimmten Bereichen üblich. Vor allem bei Unterhaltungen im offiziellen Kontext neigt auch die jüngere Generation dazu, sich zu siezen.