Risiko für bestimmte Krankheiten: Körpergröße als wichtiger Indikator
Die Körpergröße eines Menschen beeinflusst das Risiko für bestimmte Krankheiten. Davon berichten US-amerikanische Forscher nun in der Fachzeitschrift „PLOS Genetics“.
Mediziner betonen: Menschen werden immer größer
Wie ein deutscher Spezialist erläutert, wirken sich nicht nur die Gene auf die Größe und damit verbundene Anfälligkeit für Krankheiten aus. Zugleich spielen sozioökonomische Faktoren und die Umwelt ebenfalls eine wichtige Rolle. Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen immer größer werden.
Waren Männer im Jahr 1897 noch durchschnittlich 1,67 Meter groß, erhöhte sich die Durchschnittsgröße bis 2017 auf 1,80 Meter. Bei Frauen erhöhte sich die durchschnittliche Größe in dem gleichen Zeitraum von 1,56 auf 1,66 Meter.
Diese Entwicklung kristallisiert sich nahezu weltweit heraus.
Verbindungen zwischen Körpergröße und Krankheitsrisiken
Zugleich stellten Wissenschaftler mittlerweile fest, dass es eine Verbindung zwischen der Körpergröße und Anfälligkeit gegenüber bestimmten Erkrankungen gibt. Eine deutsche Studie im Jahr 2019 ergab, dass kleine Menschen ein höheres Risiko für eine Erkrankung an Diabetes Typ 2 haben.
Im Gegenzug attestierte eine schwedische Analyse im Jahr 2017 größeren Menschen ein erhöhtes Thrombose-Risiko. Zudem erkranken größere Personen laut Meta-Analysen tendenziell auch häufiger an Krebs.
Eine umfassende Studie
Zum jetzigen Stand sind sich Forscher allerdings noch nicht darüber einig, inwiefern die Körpergröße das Risiko an sich darstellt oder wie sich Faktoren auf das Risiko auswirken. Deshalb untersuchte ein Forschungsteam rund um den Mediziner Sridharan Raghavan von der University of Colorado Verbindungen zwischen unterschiedlichen Erkrankungen sowie der reellen Größe einer Person sowie der genetisch bedingten Körpergröße. Mithilfe einer Datenbank mit gesundheitlichen und genetischen Informationen untersuchte das Team entsprechende Informationen zu rund 250.000 Erwachsenen auf mehr als 1.000 verschiedene Merkmale und Erkrankungen.
Aus dieser Analyse ging hervor, dass größere Menschen ein erhöhtes Risiko für Krampfadern sowie Vorhofflimmern haben.
Im Gegenzug stellte sich heraus, dass überdurchschnittlich große Menschen ein geringeres Risiko für hohes Cholesterin, Bluthochdruck sowie koronare Herzkrankheiten besitzen.
Aufschlussreiche Erkenntnisse
Darüber hinaus verwies die Untersuchung auf weitere wichtige Zusammenhänge. Laut der Studie sind größere Menschen überdurchschnittlich häufig von Haut- und Knocheninfektionen wie Geschwüren oder Erkrankungen wie peripherer Neuropathie betroffen.
Alles in allem lassen bisherige Erkenntnisse vermuten, dass sich die Körpergröße auf mehr als hundert klinische Einflüsse auswirkt. Unter diesen Krankheitsbildern befinden sich auch einige Krankheiten, die mit einer schlechteren Lebensqualität und geringeren Lebenserwartung einhergehen.
Doch endgültige Schlüsse können die Wissenschaftler zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ziehen. Hierfür sind weitere Studien erforderlich.
Sozioökonomische Komponenten als weiterer wichtiger Faktor
Zustimmung gibt es jedoch schon jetzt durch Mediziner wie Norbert Stefan als Professor für klinisch-experimentelle Diabetologie am Universitätsklinikum Tübingen.
Der Wissenschaftler betont, dass schon seit Längerem bekannt ist, dass Gene die Körpergröße beeinflussen.
Diese Gene wirken sich allerdings nicht nur auf die Körpergröße, sondern ebenfalls auf physische Prozesse aus. Deshalb wirken sich die Gene indirekt auch auf bestehende Krankheitsrisiken aus. Diese Analysen heißen dennoch nicht, dass die Genetik allein das Auftreten von Erkrankungen bestimmt.
Sozioökonomische Komponenten fließen ebenfalls in die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten ein. Erwiesenermaßen haben größere Menschen einen besseren sozialen Status. Das bedeutet wiederum, dass diese Personengruppen weniger oft unter bestimmten Volkskrankheiten leiden.
Einflüsse durch die Umwelt
Zudem betont Stefan, dass Umweltfaktoren die körperliche Konstitution von Menschen ebenfalls beeinflussen. Diese Entwicklung betont der Mediziner mit Blick auf China. In diesem Land steigert sich die Körpergröße hiesiger Einwohner stetig. Die Tendenz begründet der Forscher beispielsweise damit, dass Menschen vermehrt Milch- und Molkeprodukte konsumieren, die bereits im Mutterleib die Gene IGF-1 und IGF-2 aktivieren. Diese Gene aktivieren das Körperwachstum, ein Leben lang.
Da IGF-1 allerdings auch das Zellwachstum fördert, haben größere Menschen aber auch ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten. Auf der Gegenseite regen IGF-1 Gene jedoch die Fettverbrennung in Organen an. Aus dem Grund leiden größere Menschen beispielsweise seltener unter einer Fettleber. Zudem ist das Risiko für einen Herzinfarkt oder Diabetes Typ 2 geringer, da größere Menschen aufgrund längerer Gliedmaßen auch mehr Energie verbrennen.
Erhöhtes Thrombose-Risiko für große Menschen
Allerdings – so bestätigt die Studie – fließen durch längere Extremitäten auch längere Beinvenen. Dementsprechend erhöht sich das Thrombose-Risiko, da das Blut einen längeren Weg zum Herzen zurücklegen muss.
Deshalb sind größere Menschen vor allem auf Flugreisen oder längeren Autofahrten gut beraten, ausreichend zu trinken, sich regelmäßig zu bewegen und im Flugzeug in Stützstrümpfe zu schlüpfen.
Gesundheitliche Risiken für kleinere Menschen
Im Gegenzug leiden kleinere Menschen unter einem erhöhten Risiko, an einem Herzinfarkt oder Diabetes Typ 2 zu erkranken. Erstaunlich ist, dass die Körperfettmasse nur eine untergeordnete Rolle spielt. Legt ein kleiner Mensch an Gewicht zu, erhöht sich das Risiko für diese Erkrankungen wesentlich stärker als bei größeren Personen. Deshalb betonen Diabetologen, dass kleine Menschen besonders beweglich sein sollten.
Nicht nur diese Studie lässt den Schluss zu, dass die Körpergröße in der heutigen Medizin ein unterschätztes Thema ist. Umso wichtiger ist es in den Augen von Stefan, das medizinische Thema stärker in den Fokus zu rücken. Bislang spiele die Körpergröße in der Praxis nur in Ausnahmefällen eine tragende Rolle für etwaige Diagnosen. Problematisch ist jedoch, dass Menschen immer größer werden. Deshalb ist es in seinen Augen sinnvoll, damit verbundene Zusammenhänge stärker zu berücksichtigen.