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Forschungsergebnisse zeigen dass Viagra (Sildenafil) gegen Alzheimer genutzt werden könnte

Viagra (Sildenafil) gegen Alzheimer
Forschungsergebnisse zeigen dass Viagra (Sildenafil) gegen Alzheimer genutzt werden könnte

Die Cleveland Klinik in Ohio führte kürzlich eine Studie mit Sildenafil durch, besser bekannt als Viagra. Das Forschungsteam testete Viagra in Bezug auf Alzheimer. Das Medikament stellte sich als vielversprechender Kandidat zur Vorbeugung und Behandlung von Alzheimer heraus.
Grundsätzlich ist es notwendig, dass gegen Alzheimer weiter geforscht wird. Denn wenn keine neuen Behandlungsmethoden entwickelt werden, wird die Zahl der Alzheimer-Erkrankung bis 2050 in Deutschland verdoppeln. Schnelle Präventions- und Behandlungsstrategien könnten dem entgegenwirken.

Viagra mithilfe von Computermethoden geprüft und validiert

Das Forschungsteam rund um Leiter Feixiong Cheng, Ph. D. verwendete Computermethoden, um Viagra als potenzielle Therapie für die Alzheimer-Krankheit zu prüfen und zu validieren.

Sie analysierten eine riesige Datenbank, bestehend aus mehr als sieben Millionen Patienten.

Dabei stellte das Forschungsteam fest, dass Sildenafil mit einer um 69 Prozent verringerten Inzidenz von Alzheimer in Zusammenhang steht. Das deutet darauf hin, dass weitere klinische Studien zur Wirksamkeit von Viagra bei Alzheimer-Patienten gemacht werden müssen.

Viagra mithilfe von Computermethoden geprüft und validiert
Viagra mithilfe von Computermethoden geprüft und validiert | Foto: © Stock Rocket #175487856 – stock.adobe.com

Alzheimer bedingte Gehirnveränderungen durch Beta-Amyloid und Tau-Proteinen im Gehirn

Wenn sich Tau-Proteine und Beta-Amyloid im Gehirn ansammeln, kommt es zu Tau-Neurofibrillen-„Wirrwarr“ und Amyloid-Plaques (Ablagerungen). Das sind zwei Kennzeichen von Alzheimerbedingen Gehirnveränderungen. Die Lage und Menge dieser Proteine im Gehirn kann helfen, Subtypen (Endophänotypen) zu deifinieren. Aktuell gibt es allerdings keine zugelassene Anti-Tau- oder Anti-Amyloid-Kleinmolekül Alzheimerbehandlung. Viele klinische Studien der letzten zehn Jahre sind diesbezüglich gescheitert.

Laut Dr. Cheng zeigen neuere Untersuchungen, dass das Zusammenspiel zwischen Tau und Amyloid gegen Alzheimer mehr bringt als beides allein. Aus diesem Grund kam es zur Hypothese, dass Medikamente, die auf den Schnittpunkt des molekularen Netzwerks von Tau und Amyloid-Endophänotypen abzielen, am ehesten Erfolg haben.

Alzheimer bedingte Gehirnveränderungen
Alzheimer bedingte Gehirnveränderungen durch Beta-Amyloid und Tau-Proteinen im Gehirn | Foto: © Chinnapong #296940799 – stock.adobe.com

Traditionelle Wirkstoffforschung ist teuer und zeitintensiv

Da traditionelle Wirkstoffforschung zeitaufwendig und kostspielig ist, ist sogenanntes Drug Repurposing eine praktische Alternative. Gemeint ist damit, dass ein bereits bestehendes Medikament, welches für einen bestimmten therapeutischen Zweck hergestellt wurde, für neue therapeutisch Zwecke verwendet wird.

Große Datenbestände sind der Schlüssel, um die Punkte zwischen bestehenden Medikamenten und einer komplexen Krankheit zu verbinden.

Die erwähnte Viagra für Alzheimer-Studie ist ein Paradebeispiel für diesen wachsenden Forschungsbereich in der Präzisionsmedizin. Finanziert wurde die Studie übrigens vom National Institutes of Health (NIH). Dieses unterstützt Forschende dabei, verfügbare sichere Verbindungen oder vorhandene Medikamente für andere Krankheiten zu finden, die gute Kandidaten für klinische Studien zur Alzheimer-Erkrankung wären.

Wie die Forscher auf Sildenafil kamen

Die Forscher um Dr. Cheng integrierten mithilfe eines großen Gen-Mapping-Netzswerks genetische und andere biologische Daten, um herauszufinden, welches der mehr als 1.600 zugelassenen Medikamente gegen Alzheimer wirksam sein könnten. Dabei stellten sie fest, dass Wirkstoffe, die sowohl auf Tau als auch auf Amyloid abzielen, höhere Werte aufweisen im Gegensatz zu denen, die bloß auf das eine oder andere abzielen. Sildenafil, also Viagra, das in präklinischen Modellen nachweislich die Kognition und das Gedächtnis deutlich verbessert, wurde als bester Medikamentenkandidat präsentiert.

Sildenafil
Wie die Forscher auf Sildenafil kamen | Foto: © JoyImage #75396906 – stock.adobe.com

Das Forschungsteam nutzte eine große Datenbank mit Anspruchsdaten von mehr als sieben Millionen Menschen in den USA. Sie untersuchten so den Zusammenhang zwischen Sildenafil und den Ergebnissen der Alzheimer-Krankheit, indem Sildenafil-Anwender mit Nicht-Anwendern verglichen wurden. Die Analyse umfasste Patienten, die Vergleichspräparate verwendeten. Diese befanden sich entweder in einer aktiven klinischen Alzheimer-Studie oder wurden noch nicht als krankheitsrelevant gemeldet.
Das Forschungsteam um Dr. Cheng fand dabei heraus, dass bei Viagra-Anwendern nach sechs Jahren der Nachbeobachtung die Wahrscheinlichkeit, Alzheimer zu bekommen, um 69 Prizent geringer war. Verglichen wurden die Patienten mit Nicht-Viagra-Nutzern. Auch im Vergleich zu anderen Medikamenten, die gegen Alzheimer eingesetzt/getestet werden (z.B. Metformin, Losartan, Glimepirid, Diltiazem) schnitt Sildenafil besonders gut ab.

Gehirnzellmodell hilft bei Untersuchungen

Damit die Wirkung von Viagra auf die Alzheimer-Erkrankung noch weiter untersucht werden kann, entwickelten die Wissenschaftler ein Gehirnzellmodell. Dieses wurde von Alzheimer-Patienten abgeleitet, verwendet wurden Stammzellen. In dem Modell fand man heraus, dass Viagra das Wachstum von Gehirnzellen erhöht und die Hyperphosphorylierung von Tau-Proteinen verringert. Letzteres ist ein Kennzeichen für die Entstehung von neurofibrillärem Wirrwarr. Dieses Ergebnis zeigt biologische Einblicke darüber, wie Sildenafil wirkt bzw. die krankheitsbedingte Veränderung im Gehirn beeinflussen kann.

Geplant sind nun eine mechanistische Studie und eine randomisierte klinische Phase-II-Studie. Dabei sollen die Kausalität sowie der klinische Nutzen von Viagra für Alzheimer-Patienten getestet bzw. bestätigt werden. Das Forschungsteam rund um Dr. Cheng geht davon aus, dass deren Ansatz auch auf andere neurodegenerative Krankheiten angewendet wird, damit der Wirkstoffforschung beschleunigt werden kann.