Legalisierung von Cannabis: Der aktuelle Stand in Deutschland
Einige hoffen auf einen baldigen Anbau von Cannabis in Deutschland. Andere Politiker sprechen hingegen von „großen Stolpersteinen“. In der Ampelkoalition sind sich Politiker über das Thema uneins.
Doch schon jetzt scheint festzustehen, dass bei jedweder Entscheidung internationales Recht gebrochen werden würde.
Uneinigkeiten unter deutschen Politikern
Uneinigkeiten sind in der Ampelkoalition keine Seltenheit. Denn schon rund um Lockerungen von Corona-Maßnahmen führten die Politiker heftige Diskussionen. Ähnliche Zustände gibt es ebenfalls rund um die Legalisierung von Cannabis.
Während sich Justizminister Marco Buschmann von der FDP für eine Legalisierung von Cannabis ab Frühjahr 2023 ausspricht, zieht Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Vorlage eines ersten Gesetzesentwurfs ab der zweiten Jahreshälfte in Erwägung.
Viele offene Fragen
Könnte es demzufolge realistisch sein, schon im Jahr 2023 in Deutschland legal einen Joint zu rauchen? Einige Mitglieder der Regierung und Spezialisten zweifeln dieses Szenario an. Die Bundesregierung sprach davon, in nächster Zeit erste fachliche Vorbereitungen einzuleiten.
Im Fokus stehen beispielsweise Fragen über einen möglichen THC-Gehalt, die Herkunft oder Preise für Cannabis. Uneinigkeit herrscht beispielsweise zu der Frage, wie sich die Legalisierung in der Praxis gestalten könnte.
Optimistisch blickt die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus in die Zukunft, die von einem legalen Verkauf von Joints schon ab Frühjahr nächsten Jahres ausgeht. Die Politikerin betrachtet den Anbau als das geringste und die Bürokratie als größtes Problem. So haben ihr erste Besuche in deutschen Cannabis-Anlagen vor Augen geführt, dass die Produktion vor Ort binnen kurzer Zeit hochgefahren werden kann.
Lieferketten als großes Problem
Einer Legalisierung im Jahr 2023 steht SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut eher skeptisch gegenüber. Der Politiker betont, sich bei einer Legalisierung von Cannabis frühestens auf das Jahr 2024 festzulegen. Selbst wenn der Gesetzesentwurf Ende 2022 vorliegen würde, dauere es noch einmal mehrere Monate, bis das Gesetz umgesetzt wird. Dann könnten die Politiker den Aufbau der Infrastruktur in Anspruch nehmen.
Heidenblut betrachtet die Lieferkette als eine der größten Schwierigkeiten bei der Legalisierung.
Er stellt sich die Frage, wie ein Zugriff auf größere Mengen an qualitätsgeprüftem Cannabis erfolgen soll. Der SDP-Politiker könne sich eigenen Aussagen zufolge nicht vorstellen, dass in Deutschland zeitnah große Cannabis-Felder gedeihen.
Ein komplexes Themengebiet
Von Prävention über den Anbau bis hin zum Vertrieb: Rund um die Legalisierung von Cannabis muss sich die Regierung um viele Fragen kümmern. Nach Aussagen der Politiker sei jedes einzelne Thema recht komplex. Für weitere Probleme könnten juristische Grundlagen sorgen, weil eine legale Abgabe von Cannabis in den Augen von Juristen gegen verschiedene EU-Vereinbarungen und das Völkerrecht verstößt. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine Legalisierung letztendlich überhaupt möglich ist. Aus dem Grund ist es in den Augen von Robin Hofmann noch nicht einmal ausgeschlossen, dass das Projekt letztendlich komplett scheitert.
Für den Assistenzprofessor für Strafrecht und Kriminologie der Universität Maastricht ist es sogar nur schwer nachvollziehbar, dass über den Verstoß gegen internationales Recht überhaupt so wenig gesprochen wird. Zur Debatte steht beispielsweise das 1961 verabschiedete UN-Abkommen über Betäubungsmittel, das einst die Verfügbarkeit von Drogen regulierte.
Würde die Herstellung und Abgabe von Cannabis komplett staatlich kontrolliert werden, würde Deutschland gegen dieses Abkommen verstoßen. Deshalb müsste Deutschland aus dem Abkommen austreten.
EU-Recht als Hindernis
Noch komplizierter ist die Situation beim EU-Recht, demzufolge innerhalb der EU-Staaten nur eine private Nutzung von Cannabis gestattet ist.
Das bedeutet, dass auch auf EU-Ebene eine Legalisierung des Handels mit Cannabis auch im großen Umfang nicht rechtlich abgedeckt ist.
In diesem Fall drohen ebenfalls Verfahren um Vertragsverletzungen. Damit verbundene Unstimmigkeiten landen schlimmstenfalls beim Europäischen Gerichtshof.
Folgt eine Änderung des europäischen Rechtsakts?
Eine Lösung für dieses Problem könnte allerdings in einer Änderung des europäischen Rechtsakts bestehen. Allerdings ist es fraglich, ob diese Änderungen überhaupt eine Mehrheit erhalten würden. Einige Länder sprechen sich zwar für eine Legalisierung aus. Im Gegenzug lehnen einige Länder die Änderungen jedoch explizit ab. Die Hürden sind nicht zu unterschätzen. Präzedenzfall ist beispielsweise Luxemburg.
Die Regierung des Landes wollte bereits als europäischer Vorreiter agieren und den Handel mit Cannabis legalisieren. Diesen Wunsch konnte sich Luxemburg nicht erfüllen. Stattdessen erreichte das Land eine „Legalisierung light“, die ausschließlich den Anbau von Hanf für den Eigenbedarf gestattet. Der Grund: Eine weitreichende Legalisierung ist nicht mit dem EU-Recht vereinbar.
Die Lösung: Erste Versuche in Modellregionen
Eine Lösung für dieses Problem könnte darin bestehen, die Legalisierung zuerst in Modellregionen zu testen. Diese stichprobenartige Versuche könnten erste Erkenntnisse zu Fragen liefern, ob sich das Konsumverhalten durch diese Maßnahmen verändert und welche Auswirkungen auf dem Schwarzmarkt drohen. Schließlich geht es vor allem um die Gesundheit der Menschen.