Wie Stress das Haarwachstum stoppt
Wenn Menschen mit unglaublichem Stress konfrontiert werden, verlieren sie manchmal büschelweise Haare. Allerdings wissen Wissenschaftler nicht genau, warum das so ist.
Jetzt bietet eine neue Studie an Mäusen einen Hinweis: Stresshormone können das Haarwachstum unterbrechen.
Wachstums- und Ruhephasen der Haarfollikel
Mit Haarfollikeln sind die speziellen Strukturen gemeint, die die Haarwurzel umgeben und somit Haare und Haut miteinander verknüpfen. Diese durchlaufen sogenannte Wachstums- und Ruhestadien.
Das bedeutet, dass die Follikel zuerst aktiv neues Haar produzieren und dann in einen Ruhezustand verfallen.
Bei Mäusen halten chronisch hohe Spiegel des Stresshormons Kortikosteron – ähnlich dem menschlichen Hormon Cortisol – die Follikel laut einer neuen Studie länger als gewöhnlich im Ruhezustand. Diese Reaktion verhindert, dass Haarfollikel wieder in das Wachstumsstadium eintreten, in dem Stammzellen im Follikel neues Haar produzieren.
Kortikosteron stoppt das Haarwachstum auf indirektem Wege
Insbesondere stoppt Kortikosteron das Haarwachstum, indem es an Rezeptoren auf Zellen andockt, die unter der Basis jedes Follikels sitzen. Dort platziert sollen diese Rezeptoren normalerweise Stoffe freisetzen, um den Haarzyklus zu regulieren.
Allerdings blockiert Kortikosteron die Produktion eines Proteins namens GAS6.
Und ohne GAS6 können sich die Stammzellen der Haarfollikel nicht aktivieren, um mit dem Haarwachstum zu beginnen. Diese Kettenreaktion mag in menschlichen Haarfollikeln etwas anders ablaufen, aber der Mechanismus kann sehr ähnlich sein.
Das wird insbesondere deshalb angenommen, weil Nagetier-Kortikosteron und menschliches Cortisol zur gleichen Hormonfamilie gehören und mit der gleichen Art von Rezeptoren interagieren. Beim Menschen können die Haare in der Ruhephase leichter ausfallen als Haare in der Wachstumsphase – was erklären könnte, wie Stress zu Haarausfall führt.
Was das für uns Menschen bedeutet
Wenn der bei Mäusen festgelegte Mechanismus im Prinzip auch für Menschen gilt, könnten möglicherweise Behandlungen entwickelt werden, um stressbedingten Haarausfall zu verhindern.
Doch bevor Wissenschaftler neue Behandlungsmethoden einführen, müssen zunächst alle Unterschiede zwischen dem Mausmodell und dem Menschen herausgefunden, werden.
Wie verlief die Studie?
In der Studie haben Wissenschaftler zunächst die gesamte Stresshormonproduktion in einer Gruppe von Mäusen gestoppt. Die Mäuse waren demnach nicht mehr in der Lage dazu, Stress zu empfinden. Die Haarfollikel dieser Mäuse traten etwa dreimal so oft in das Wachstumsstadium ein wie nicht modifizierte Kontrollmäuse.
Darüber hinaus verkürzte sich ihre Ruhephase signifikant und dauerte weniger als 20 Tage, verglichen mit den üblichen 60 bis 100 Tagen bei normalen Mäusen.
Die Autoren der Studie stellten fest, dass, wenn sie die modifizierten Mäuse mit Kortikosteron fütterten, ihr Haarfollikelzyklus im Gleichschritt mit dem von normalen Mäusen zurückfiel. Dies deutete darauf hin, dass das Hormon ihr üppiges Haarwachstum irgendwie unterdrückte. Also testeten die Wissenschaftler diese Idee an normalen Mäusen, indem sie sie neun Wochen lang immer wieder milden Stressfaktoren aussetzten. Dabei stellten sie fest, dass ihr normales Haarwachstum mit steigendem Kortikosteron-Spiegel der gestressten Tiere verkümmerte.
Es folgte die Untersuchung der Haarfollikel selbst
Als der Zusammenhang zwischen Hormonspiegel und Haarwuchs erkannt wurde, wurden die Haarfollikel selbst betrachtet. Festgestellt werden sollte, ob Kortikosteron direkt mit den Stammzellen im Inneren interagiert.
Das Team stellte anschließend fest, dass es nicht an den Follikeln, sondern an den umliegenden Papillen Zellen liegt. Normale dermale Papillen Zellen stellen die Produktion von GAS6 scheinbar ein, wenn sie Kortikosteron ausgesetzt werden.
Während noch viele Fragen zu beantworten sind, deutet die Mausstudie auf mögliche Lösungen für stressbedingten Haarausfall hin, die eines Tages bei Menschen untersucht werden könnten. Es ist durchaus möglich, dass Manipulationen im Zusammenhang mit den GAS6-Pfaden Potenzial haben könnten, wenn die Ergebnisse in Zukunft beim Menschen bestätigt werden.